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Die neue-Dimension der Medizin – page 82

Dieser unharmonische Werdegang des Menschen, während dem sich alle
Ebenen separat, und nicht, wie es der Gesundheit entspräche, zusammen höher
oder zurück entwickeln, ist ein Resultat der herrschenden, soziokulturellen
Regeln. Oft erzwingen sie – als Instrument der Gesellschaft – bei dem Einzelnen
eine ungesunde, manchmal gemeine Handlungsweise. Der menschliche Geist
ersann eine Fülle raffiniert ausgeklügelter Methoden zum Verdrängen oder gar
»Abtöten« von Gefühlen. Dies geschieht systematisch, indem man Phrasen zu
Geboten erhebt: »Du darfst nie deine Gefühle zeigen«, »reagier nur nicht so
emotional«, »wenn du weinst, bist du schwach und eine Plage für andere«. Es gibt
viele solcher Beispiele für einen Prozeß, der aus dem Bewußtsein, sich »nur so
richtig« zu verhalten, bei uns weithin befolgt wird. Er prägt in schlimmer Weise
die öffentliche Meinung, dies sei die korrekteste Art, Kinder zu erziehen.
Besonders bei vielen Jugendlichen verbreitet ist sexueller Hedonismus; sie
trennen ihre Emotionen vom physischen Körper, ziehen die Befriedigung ihrer
Begierden echter Liebe vor und begeben sich damit auf einen Irrweg mit so
heikeln und tiefgreifenden Konsequenzen, daß sie an den negativen Folgen zeit
ihres Daseins kranken werden. Statt die sexuelle Vereinigung nur für eine Part-
nerschaft echter Liebe aufzusparen und dabei den Höhepunkt eines regenerativen,
tief befriedigenden schöpferischen Akts zu erleben, praktizieren sie den physi-
schen »Orgasmus« lediglich als »mechanischen Vorgang«, getrennt von jegli-
chem emotionalen Engagement. Auf diese Weise berauben sich diese Menschen
selbst viel kostbarer kreativer und fein stofflicher Kräfte. Zurück bleibt eine
unbeschreibliche Leere, Erschöpfung der Energien und eine emotionale »Sklero-
se«, die sie schon als Mittzwanziger vergreist und emotional tot aussehen läßt.
Das Mißverstehen der eigentlichen Funktion und mangelnde Kenntnis der
Bedeutung unserer emotionalen Ebene kommt daher, daß sie die ergiebigste Quel-
le für Schmerz und Leiden des Einzelnen ist. Viele glauben, durch das »Abtöten«
dieses Teils ihrer Natur das Erduldenmüssen von Schmerz vermeiden zu können.
Nur wenige begreifen die Bedeutung solcher Schmerzen und ihre Bildekräfte
für die Entwicklung unserer menschlichen Art. Warum ignorieren so viele Wis-
senschaftler, daß uns gerade emotionelles Leiden über eine sonst völlig tierische
und primitive Existenz hebt? In der herrschenden Medizin Tätige berücksichtigen
die wichtige Rolle der Emotionen kaum einmal. Sobald die Äußerungen mensch-
lichen Empfindens extrem erscheinen, dämpfen sie jedes Gefühl dafür durch
starke chemische Medikamente, bis es »gestorben« ist. Der Preis ist hoch: Die
Folgen solcher» Therapie« müssen wir in naher Zukunft als an eine Katastrophe
grenzend zur Kenntnis nehmen. Ohne jene Schranken, die normalerweise »ein
gütiges freundliches Herz« setzt, werden sich emotional abgestumpfte, kranke
und abartige Menschen gegenseitig terrorisieren, und zwar ohne davon berührt zu
werden. Denken wir nur an die überhandnehmende brutale Kriminalität.
Mehr als alle anderen sollte jeder verantwortungsbewußte Arzt dieses Wissen
für seine Patientinnen und Patienten hilfreich anwenden.