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Die neue-Dimension der Medizin – page 122

38. In jedem menschlichen Organi mu tibt es inhiirente. das heißt tnnew oh
nende tendenzen: entweder einen Zustand von Teleosis, also.allmählich
harmonische Yervollkomninung und Reife zu erlangen – oder dem Gesetz
der Aposynthese. der Abwendung vomfortschreitenden Aufbau zu erliegen.
Wir verwenden den Begriff Teleosis hier freilich nicht im Sinne des deutschen
Naturforschers Ernst Haeckel (1834-1919), der ihn in seinen wissenschaftlichen
Arbeiten allzu eng auf die allmähliche physische Vervollkommnung des mensch-
lichen Organismus im Verlauf seiner stammesgeschichtlichen Entwicklung an-
wandte, sondern als geistige Notwendigkeit.
Der aus dem Griechischen stammende Begriff Teleosis charakterisiert viel-
mehr den Prozeß universellen Vollendens, den der Homo sapiens auf seinen phy-
sisch-körperlichen, emotionalen und geistigen Ebenen in bewußtem Streben er-
reichen soll. Auf diesem Wege durchlebt jeder Mensch eine Abfolge von Verän-
derungen, indem persönliche Schwächen erkannt, bearbeitet und überwunden
werden können. Das heißt, wir müssen stetig kritisch prüfen, was wir zu uns neh-
men, welchen Einflüssen wir uns öffnen: solchen, die Besserung und Wachstum.
oder anderen, die Begierden, Verbitterung oder Selbstzerstörung bewirken. Es
gilt, mit gesunden Körperkräften, hellwachem Geist und einem von animalischen
Begierden freien Gefühlsleben beharrlich richtig zu wählen, der Entartung entge-
genzuwirken, sein Teil zur Vervollkommnung der Menschheit zu höheren Daseins-
stufen beizutragen.
Niemand, der sich »gesund« fühlt, möchte – egal welcher Tätigkeit er nach-
geht – das schwächste Glied sein, sondern stets eher das beste. Dieser Drang liegt
tief in uns verwurzelt. Keineswegs ist es nur der jeweilige Beruf, in dem sich die
Frau oder der Mann mit herausragenden Leistungen profilieren möchte. Die
Spannweite selbstgewählter Aufgaben ist groß: ehrenamtliche Arbeit in gemein-
nützig wirkenden Gemeinschaften zum Schutz der vom Aussterben bedrohten
Tier- und Pflanzenarten, zum Musizieren oder sportlichem Ausgleich, die Förde-
rung eigener und fremder Kinder, die Betreuung kranker, alter oder sonstwie
hilfloser Menschen, der schwere Dienst des Begleitens alleinstehender Sterben-
der bis zu deren Ende u.v.a.
Allein die Tatsache ist wichtig, daß auf solche Weise wirkende Menschen in
ihren subtileren Schichten noch gesund genug sind, wenigstens in derlei Akti-
vitäten Freude oder Genugtuung zu empfinden. Ihr Sinnen und Trachten bezieht
dann keineswegs allein Sichtbares mit ein, sondern es ist oft sogar Anstoß zu in-
tensiverem Nachsinnen über »die letzten Geheimnisse unseres Daseins«. Diesen
grundgesunden Drang nach Bewährung und Fortentwicklung nennen wir das
Gesetz der Teleosis.
Die Teleosis oder Vervollkommnung ist für jeden von uns unabdingbar, damit
wir die für fast alle Menschen von Ängsten begleiteten letzten Stunden vor dem
Tode, den – wie Wolfgang Amadeus Mozart es bündig formulierte’ -»wahren