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Die neue-Dimension der Medizin – page 10

Im Jahre 1968 kam die Behörde der amerikanischen Regierung für ver-schreibungspflichtige Medikamente, Health, Education and Weifare, zu dem Schluß, eine rationelle Verschreibung auf der Grundlage pharmakologischen Wissens sei in der medizinischen Praxis durchaus nicht verbreitet. »Ich glaube«, klagte in diesem Zusammenhang Jan Koch-Weser von der Harvard Universität, »daß der Mangel an Wissen über die richtige therapeutische Anwendung von Arzneien heutzutage vielleicht die größte Unzulänglichkeit des durchschnittli¬chen amerikanischen Arztes ist.«
Ermittlungen über den Verbrauch verschreibungspflichtiger Medikamente illustrieren das Ausmaß des unsachgemäßen Einsatzes. Beispielsweise gelten von den 25 Medikamenten, die 1979 in den USA am häufigsten verschrieben wurden, acht mit Sicherheit als pharmakologisch oder therapeutisch fragwürdig. Eine Analyse von über 50.000 Verordnungen in amerikanischen Universitätskliniken zeigte in mehr als einem von acht Fällen eine »Überbehandlung«, das heißt viel zu hohe Dosen oder zu häufige Verabreichung der Dosis.
Ferner gab es eine beträchtlich hohe Zahl von unsachgemäßen Medikamenten- Kombinationen, die sich entweder in ihrer therapeutischen Wirkung aufhoben oder gegenseitig schädlich beeinflußten. Die Liste mit Studien über den Nachweis unzureichender Handhabung ist lang und keineswegs auf Arztpraxen beschränkt. Hendeles zitiert zwei Krankenhaus-Studien, deren Autoren unsachgemäße An-wendungen von Antibiotika in über 50 % der Fälle entdeckten. Eine spätere Arbeit Uber Verordnungen in schottischen Krankenhäusern bestätigt diese Entdeckun¬gen: »Bei zwei Dritteln der solchermaßen behandelten Patienten gab es keine ausreichenden bakteriologischen Befunde, die eine Anwendung von Antibiotika rechtfertigten. Weil 11% aller Behandlungen mit Antibiotika unerwünschte Ne¬beneffekte zeigten.wurde gefolgert, daß die Risiken der Therapie zumindest bei einem nicht gerade geringen Teil der Patienten größer als der zu erwartende Nutzen waren…«
Eine nachträgliche Analyse zufällig ausgewählter Fälle zeigte, daß nach den Kuninschen Anwendungskriterien 64 % der verwendeten Antibiotika nicht indi¬ziert oder in der Wahl des Mittels beziehungsweise in der Dosierung falsch waren.
»Bei 50,5 % der 1972 mit Antibiotika behandelten und entlassenen Patienten wurde keinerlei Vermerk über eine Bakterienkultur in den Krankenblättern ge¬funden.«
Die erstaunlichen Produktionsdaten zum Beispiel für Tetracycline scheinen angesichts der Warnungen vor dem Gebrauch solcher Antibiotika bei Kindern oder Säuglingen verwunderlich.
Henry Simmons faßte diese Misere in folgenden Punkten zusammen:
– »Viele Ärzte wissen nicht über die korrekte Anwendung infektionshemmender Medikamente und ihre pharmakologischen Eigenschaften Bescheid.
– Oft werden infektionshemmende Wirkstoffe bei Erkrankungen angewandt.