Books

Die neue-Dimension der Medizin – page 143

Es war fur mich me Qual, im Dunkeln herumzur ppen, als Ich Kranke hei-
len Sollte, indem nach die er oder jener Krankheitshypothese Substanzen zu
verordnen waren, die ihren Platz in der Materia medica einer willkürlichen
Entscheidung verdankten … Bald nach meiner Heirat gab ich die Praxis der
Medizin auf. damit ich nicht länger Gefahr lief, Unrecht zu tun; ich beschäf-
tigte mich nun ausschließlich mit Chemie und literarischen Tätigkeiten.
Dann wurde ich aber Vater, und ernste Krankheiten bedrohten meine gelieb-
ten Kinder…Und als ich merkte, daß ich ihnen keine Erleichterungen schaf-
fen konnte, wurde ich von noch schlimmeren Skrupeln geplagt.e ‘
Während er die Arztpraxis ruhen ließ. widmete er sich umso intensiver den
vielfaltigen Forschungen. Für den Lebensunterhalt publizierte er von 1784 an
eigene Bücher über neue medizinische und chemische Erkenntnisse, die ihm in
der Fachwelt hohes Ansehen eintrugen. 1791 berief ihn die Akademie der Wissen-
schaften in Mainz zu ihrem Mitglied.
Die Chemie interessierte Hahnemann besonders: Deshalb wurde sein von
1793 an herausgegebenes Apothekerlexikon’ zu einem bis in unser Jahrhundert
genutzten Standardwerk. Unter vielen sich darum bewerbenden Arzten .":ählte
man ihn für die Aufgabe aus, die deutsche Arzneimittellehre zu standardisieren.
Wachsende wissenschaftliche Bedeutung ließ ihn aber keineswegs in selbstzu-
friedener Behaglichkeit erstarren. Im Gegenteil, jedes Mehr an Erfahrung und
Erkenntnis schärfte sein kritisches Denkvermögen.
Die Einnahmen aus Übersetzungsarbeiten reichten kaum aus, Frau und Kinder
angemessen zu ernähren. Aber – Hahnemann hungerte lieber, als daß er aufthera-
peutische Methoden zurückgriff, deren Irrtümer und Unsicherheiten ihn belaste-
ten. Diese Gewissenhaftigkeit und Selbstentäußerung – in die er zwangsläufig die
Familie mit einbezog – helfen uns verstehen, aus welchem Geist Hahnemann den
oben zitierten ersten Paragraphen des ORGANON DER HEILKUNST formulierte.
Die zündende, zur Kernidee seiner neuen Therapie werdende Erkenntnis war
ihm gekommen, als er im Jahre 1790 William Cullens Materia medica aus dem
Englischen übersetzte. Cullen, Professor für Medizin und Chemie an den Univer-
sitäten Glasgow und Edinburgh, widmete 20 Seiten seines Werkes den therapeu-
tischen Indikationen von Chinarinde. Die damit erfolgreiche Behandlung von
Wechselfieber schrieb er den in der Chinarinde enthaltenen Bitterstoffen zu. Der
Chemiker Hahnemann gab sich mit dieser Erklärung nicht zufrieden und tat etwas
für einen Übersetzer Außergewöhnliches: Er kaute die Chinarinde selbst und
beschreibt das Ergebnis seines Arzneimittel-Versuchs:
» … auch die mir bei Wechselfieber gewöhnlichen besonders charakteristischen
Symptome, die Stumpfheit der Sinne, die Art von Steifigkeit in allen Gelen-
ken, besonders aber die taube widrige Empfindung, welche in dem Periostium
über allen Knochen des ganzen Körpers ihren Sitz zu haben scheint – alle er-
schienen. Dieser Paroxysmus dauerte zwei bis drei Stunden jedesmal und er-
neuerte sich, wenn ich diese Gabe wiederholte, sonst nicht «